Beim Kauf eines alten Pubs kann ein im Grundbuch eingetragenes Bieraussschankrecht für Überraschungen sorgen. Quelle: Immobilien Zeitung, Urheber: Thomas Hilsheimer

Kuriose Altlasten: Wenn das Grundbuch Geschichte(n) schreibt

Beim Kauf eines alten Pubs kann ein im Grundbuch eingetragenes Bieraussschankrecht für Überraschungen sorgen. Quelle: Immobilien Zeitung, Urheber: Thomas Hilsheimer

Uralte Rechte schlummern bis heute in deutschen Grundbüchern – und manche davon wirken wie aus der Zeit gefallen. Oft ist unklar, für wen sie gelten, welche Pflichten und Ansprüche damit noch verbunden sind – und ob sie überhaupt noch existieren. Im Immobilienbereich können diese Kuriositäten für handfeste Probleme sorgen.

Autorin: Monika Hillemacher

Haben Sie beim Kauf eines Grundstücks schon einmal überlegt, ob es mit einer Weide- oder Grünschnitt-Dienstbarkeit belastet sein könnte? Erstere erlaubt es, Vieh dort zu weiden, zweitere gibt Nachbarn das Recht, entweder ihren Grünschnitt auf dem Gelände zu entsorgen oder dort zu schneiden. Stellt sich die Frage, was zu tun ist, wenn die Fläche optimal geeignet ist zur Errichtung eines Solarparks oder einer Neubausiedlung im Grünen.

Alte Rechte können heute noch Probleme bereiten

Oder hätten Sie gewusst, was es mit einer Biergerechtsame auf sich hat, die ein Mandant zu erwerben gedenkt? Im Bayerischen bedeutete das ursprünglich nichts anderes, als dass eine Wirtschaft das Recht hat, Bier auszuschenken – meistens exklusiv das einer bestimmten Brauerei. So entstanden auch Biergärten, speziell in München. Kellersysteme aufgelassener Brauereien können zum Problem für moderne Wohnungseigentümergemeinschaften (WEG) werden. Das Verwaltungsgericht Ansbach musste sich 2013 mit dem Streit zwischen einer WEG und einer Baubehörde beschäftigen, die der Gemeinschaft die Sanierung der unterirdischen Gänge abverlangte. Hergeleitet aus dem Kellerrecht, das mit dem Eigentum an dem Ex-Brauereigelände auf die WEG übergegangen sei, und begründet auch mit einem „Erbtabern“, einem mit dem Gebäude verbundenen Schankrecht, das noch aus dem Mittelalter stammt. Zum Glück für die WEG entschied das Gericht, sie müsse nicht zahlen (Urteil vom 26. März 2013, AN 9 K 13.00760).

Alte Weiderechte können bei neuen Nutzungen von Grundstücken für Konflikte sorgen. Quelle: Generiert mit Copilot, Urheberin: Laura Kolb

Dienstbarkeiten stehen im Grundbuch – oder auch nicht

Seit der Einführung des BGB vor 125 Jahren ist die Eintragung von Dienstbarkeiten ins Grundbuch vorgeschrieben. Sie stehen in Abteilung II. Dienstbarkeiten gab es aber schon lange vorher. Wie mit diesen umzugehen ist, steht im Einführungsgesetz zum BGB, abgekürzt EGBGB. Artikel 187 legt fest, dass vor dem BGB existierende Dienstbarkeiten auch dann wirksam sein können, wenn sie nicht ins Grundbuch überführt wurden. Darauf berief sich auch das OLG Zweibrücken, als es die Fortgeltung von Wegerechten bestätigte. Diese betrafen ein im ehemaligen Königreich Preußen liegendes Grundstück im Westerwald (Urteil vom 17. Februar 2014, Az. 3 W 39/12). Das Grundbuchamt musste die Rechte eintragen.

Zum Trotz des „Privat“-Schilds: Historische Wegerechte ermöglichen die Nutzung eines Grundstücks auch für Dritte. Quelle: Bearbeitet mit Copilot, Urheber: Thomas Hilsheimer

Alte Rechte können also unter diese Ausnahmeregel fallen. So kann es passieren, dass Eigentümer, Kaufinteressenten, Rechtsanwälte und Notare von nicht im Grundbuch stehenden, aber dennoch gültigen Dienstbarkeiten überrascht werden. Historisch bedingt ist eher im ländlichen Raum mit dieser Situation zu rechnen als in städtisch geprägten Regionen.

Der BGH und die Kellerdolen

Nein, um Vögel (Dohlen) geht es nicht, sondern um Entwässerungskanäle. Diese sogenannten Kellerdolen (manchmal auch Kellerdohlen geschrieben) bzw. die Über- und Zufahrtsrechte zwischen zwei Grundstücken gerieten zum Zankapfel zweier Nachbarn. Die eine verklagte die anderen auf Nutzungsunterlassung. 1895 waren die vertraglichen Rechte in ein württembergisches Servitutenbuch eingetragen, später aber nicht als Belastung ins Grundbuch übernommen worden. Die Dienstbarkeit sei zwar erloschen, stellte der BGH höchstrichterlich fest. Trotzdem musste die Vorinstanz das Bestehen einer Duldungspflicht prüfen (Urteil vom 21. Oktober 2011, Az. V ZR 10/11).

Vom mittelalterlichen Schreinsbuch zum Grundbuch

Stellt sich die Frage, was zu tun ist, um sich Klarheit über eventuelle alte Rechte zu verschaffen. Ein wenig Recherche in der Vergangenheit hilft. Denn Dienstbarkeiten mit ihren verbundenen Rechten und Pflichten galten schon seit Jahrhunderten als so wichtig, dass sie schon in Verzeichnisse eingetragen wurden, lange bevor es das Grundbuch gab. Zu den Vorläufern des Grundbuchs gehören etwa die Schreinsbücher aus dem mittelalterlichen Köln. Die Kölner zeichneten darin Liegenschaftsgeschäfte auf. Die Bücher geben Auskunft zu Beteiligten und Inhalt der Geschäfte. Sie wurden zusammen mit Urkunden und Karten in Schreinen aufbewahrt. Daher stammt auch die Bezeichnung. Das ehemalige Königreich Württemberg kannte Servitutenbücher mit Eintragungen zu dauerhaften Grunddienstbarkeiten, Nießbrauchs-, Wohn- und Nutzungsrechten. Die Verzeichnisse wurden mit königlicher Verfügung seit etwa 1836 systematisch angelegt und ergänzten sogenannte Güterbücher. Diese bildeten wiederum die Basis unter anderem für die Besteuerung von Grundstücken. Die Servitutenbücher liegen heute im Grundbuchzentralarchiv des Landes.

Anzeige

Vertraglich freizeichnen oder Ablöse zahlen

Wer weder so tief in die Materie einsteigen mag noch will, greift auf vertragliche Klauseln zurück. Als eine solche schlägt der bayerische Notar Johannes Hecht für Verkäufer die Formulierung „Etwaige altrechtliche Dienstbarkeiten sind dem Verkäufer nach seiner Versicherung nicht bekannt und werden vom Käufer übernommen“ vor.

So können Erwerber zumindest sensibilisiert und zu eigenen Nachforschungen angeregt werden. Verkäufer wiederum können sich freizeichnen mit dem Hinweis „alte Rechte können existieren, doch ich übernehme dafür keine Haftung“.

Bayerische Zehnjahresfrist

Altrechtliche Dienstbarkeiten können in Vergessenheit geraten oder ihren Zweck eingebüßt haben. Wer sie wieder nutzen will, sollte einen Beschluss des OLG München im Hinterkopf haben. Das entschied mit Urteil vom 7. Mai 2014 (Az. 34 Wx 142/14): Wird die Dienstbarkeit zehn Jahre lang nicht mehr aktiv genutzt, ist sie erloschen. Sie kann aus dem Grundbuch gelöscht werden.

Wissen Eigentümer um die Existenz von Dienstbarkeiten, müssen sie Erwerber darauf aufmerksam machen. Dann ist es an Rechtsanwälten und Notaren, Vertragsklauseln zu entwickeln, damit Käufer nicht entschädigungslos für Wege-, Fahr-, Wasser- oder Kellerrechte in Anspruch genommen werden. Man kann natürlich auch über eine Ablöse verhandeln. Manchmal lässt sich der Dienstbarkeitsberechtigte ein Recht nach dem Motto abhandeln „Zahl mir ’nen Tausender, und ich verzichte auf die Grünschnitt-Dienstbarkeit“. Eine Alternative ist die Reduzierung des Kaufpreises: „Lieber Verkäufer, ich nehme dein Grundstück mit Weiderecht, aber dafür gehst du mit dem Preis runter“. Eine Berechnungsformel für den Wert einer alten Dienstbarkeit gibt es nicht. Die Höhe der Entschädigung ist dem Verhandlungsgeschick anheimgestellt. Guter Wille ist ebenfalls gefragt. Im Süddeutschen soll es einen Adligen geben, der immer noch die Last geschichtsträchtiger Holzrechte trägt. Diese räumten seine Ahnen einst Bauern der Umgebung ein als Gegenleistung für Hilfe beim Burgenbau. Bis heute hat der Adlige den Landwirten Dachstuhlholz aus seinen Wäldern zu liefern. Bislang sind Versuche gescheitert, diese Dienstbarkeit abzulösen. Am Geld liegt es nicht.

Löschung alter Vormerkungen

Ein Testamentsvollstrecker entdeckte im Grundbuch eine Vormerkung aus dem Jahr 1936 zugunsten des Preußischen Staats. Der Testamentsvollstrecker beantragte die Löschung. Seine Begründung: Preußen existiere nicht mehr, folglich bestehe auch kein Anspruch mehr auf das Grundstück. Das Grundbuchamt sperrte sich. Zwar sei Preußen weg, das eingetragene Recht am Grundstück verschwinde jedoch nicht, sondern gehe auf einen Rechtsnachfolger über. Und dieser müsse eine Löschungsbewilligung erteilen (§ 19 GBO). Zuständig ist dafür laut Grundbuchamt und eigener Auskunft die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben. Der Testamentsvollstrecker versäumte, die erforderliche Urkunde mit Unterschrift und Siegel einzureichen. Er schickte lediglich eine Kopie. Deshalb wies das Grundbuchamt den Löschungsantrag zurück. Die dagegen eingereichte Klage scheiterte (OLG Brandenburg, Urteil vom 5. Juni 2025, Az. 5 W 110/23).


Diesen Artikel teilen