Was Immobilien­boutiquen ausmacht

Quelle: Generiert mit Copilot, Laura Kolb/Yvonne Orschel

Was Immobilien­boutiquen ausmacht

Quelle: Generiert mit Copilot, Laura Kolb/Yvonne Orschel

Der Anwaltsmarkt ist breitgefächert. Da stellt sich für Mandanten aus der Immobilienwirtschaft die Frage: Welche Kanzlei passt zu meinen Anforderungen – Großkanzlei oder Immobilienboutique? Dabei ist Spezialisierung nicht gleich Spezialisierung und es kommen weitere Unterschiede hinzu.

Text: Monika Hillemacher

Eines vorneweg: Es gibt keine einschlägige, allgemeingültige Definition dessen, was eine Anwaltsboutique ist und was sie auszeichnet. Meistens wird nach dem Grundsatz „klein, aber fein“ die Größe gemessen an der Zahl der Anwälte herangezogen. Wir stellen dagegen die Konzentration auf das eine Fachgebiet in den Mittelpunkt: auf das Immobilienrecht mit Facetten von der Projektentwicklung zum Bau bis hin zur Vermietung und Verpachtung. Diesem Kriterium entsprechen 55 Kanzleien aus der IZ-Marktübersicht. Das Spektrum reicht vom Ein-Mann-Anwaltsbüro mit Fokus Brandschutz oder der Eine-Frau-Kanzlei für Mietrecht bis hin zur großen Kanzlei mit mehr als 100 Anwälten und Anwältinnen. Alle diese Büros fokussieren ausschließlich auf Immobilien, diese fachliche Spezialisierung eint sie.

Alle Immobilienboutiquen aus der IZ-Marktübersicht – bitte klicken Sie hier

„Immobilien- und Baurechtskanzleien sind die Spezialisten der Spezialisten“, umreißt Bernd Knipp, Partner bei HFK Rechtsanwälte in Frankfurt, das Selbstverständnis. HFK reklamiert für sich, eine der ältesten Immobilienboutiquen Deutschlands zu sein. 2024 hat die Kanzlei ihr 50-jähriges Bestehen gefeiert. Ihre Wurzeln liegen in der Gründung einer ausschließlich auf privates Baurecht ausgerichteten Praxis. „So etwas gab es 1974 in keinem Rechtsgebiet“, sagt Knipp. Große Kanzleien hätten zwar alle Gebiete aus dem Wirtschaftsrecht angeboten, aber die einzelnen Dezernate hätten lediglich unterschiedliche Rechtsgebiete verbunden. „Unsere Ausrichtung war damals neu in der Anwaltschaft und damit auch bahnbrechend“, erinnert sich Knipp.

„Immobilien- und Baurechtskanzleien sind die Spezialisten der Spezialisten.“

Bernd Knipp, HFK Rechtsanwälte

Für jedes Gebiet gibt es Fachleute

Seither haben sich verfeinerte und zigfach verästelte Spezialisierungen herausgebildet. Im Baurecht gibt es beispielsweise Experten für Vertrags- und Nachtragsmanagement, aber auch für Bauablaufstörungen aus Sicht der Unternehmen. Oder welche für Anti-Claim-Management, die wiederum Investoren dabei unterstützen, kostenintensiven Störungen und Nachtragsforderungen vorzubeugen und diese abzuwehren.

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Andere konzentrieren sich auf Themen wie selbstständige Beweisverfahren, Facility-Management oder Honorar- und Haftungsrecht für Architekten und Ingenieure. Zum Teil geht der Grad der Spezialisierung noch tiefer auf einzelne Projektarten, wie etwa Tunnel- und Klinikbau, Verwaltungsgebäude, Hochhäuser oder Infrastruktur. Die Aufgliederung in der Rechtsberatung folgt Trends in der Immobilienbranche. Diese fächert nicht nur Assetklassen immer weiter auf, sondern fragt für komplexer werdende Vorhaben maßgeschneiderte Beratung ab. Darüber hinaus nehmen regulatorische Anforderungen wie ESG, DSGVO, Sanktionslisten und Geldwäscheprävention zu, die tief in die Abläufe der Immobilienwirtschaft eingreifen. Das rechtliche Umfeld verändert sich immer schneller; die Rechtslage wird undurchschaubarer. Um ihren Mandanten Lösungen anzubieten, stellen Immobilienboutiquen auf eine spitz zugeschnittene Expertise ab. Das, meint Knipp, unterscheide sie von Kanzleien, deren Spektrum über das Immobilienrecht hinaus andere Rechtsgebiete umfasst.

„Rechtsanwälte, die sich spezialisiert haben, wissen genau, wovon sie reden.“

Steffen Groß, Groß Rechtsanwaltsgesellschaft

Quelle: GROSS Rechtsanwaltsgesellschaft mbH

Die Kanzlei von Steffen Groß, Groß Rechtsanwaltsgesellschaft aus Berlin, geht den Weg der Konzentration auf ein Spezialgebiet sehr konsequent. Mit einem 30-köpfigen Team beackert sie ausschließlich Wohnungseigentumsrecht, Datenschutz für Immobilienverwalter sowie Mietrecht und das auch nur für Vermieter. „Spezialisierung setzt Expertise über mehrere Jahre und viele Fälle voraus“, sagt Groß. „Rechtsanwälte, die sich spezialisiert haben, wissen genau, wovon sie reden. Das bringt Sicherheit und Ruhe.“ Groß ordnet seine Kanzlei dennoch nicht als Immobilienboutique ein. Er findet hochspezialisiert treffender.

Der Blick aufs große Ganze gehört für Spezialisten dazu

Von Immobilienboutiquen können Mandanten also besondere Fachkenntnisse erwarten. Es darf aber noch ein bisschen mehr sein: Kenntnisse des Produkts Immobilie und der Marktbedingungen etwa. Für Sergia Antipa, Rechtsanwältin und Partnerin bei Bethge Immobilienanwälte, ist Wissen über das Funktionieren des Markts selbstverständlich bei einer Kanzlei, die im Beratungsgeschäft entlang des Lebenszyklus von Immobilien aktiv ist. „Es reicht nicht aus, ein Rechtsgebiet abzudecken und die entsprechenden Gesetze zu kennen. Es ist erforderlich, das Geschäft der Kunden zu verstehen und in der Beratung zu berücksichtigen, um ihre Interessen auch unter wirtschaftlichen Aspekten so gut wie möglich durchzusetzen“, betont sie.

„Es ist erforderlich, das Geschäft der Kunden zu verstehen.“

Sergia Antipa, Bethge Immobilienanwälte

Interesse an Politik und Gesellschaft ist Antipas Meinung nach ebenfalls notwendig und kann von den Kunden einer Immobilienboutique vorausgesetzt werden. Weil die Branche mit diesen Bereichen interagiert und politische sowie gesellschaftliche Entwicklungen in die Immobilienwirtschaft hineinwirken und deren Geschäftsmodelle beeinflussen. Rainer Burbulla kennt das Arbeiten sowohl in großen Büros als auch in kleinen Einheiten. Er stieg bei der Kanzlei Grooterhorst zum Partner auf. Bei deren Zusammenschluss mit Eversheds Sutherland verabschiedete er sich zusammen mit Niklas Langguth. Gemeinsam gründeten beide ihre Praxis Langguth & Burbulla. Sechs Anwälte beschränken sich dort auf das gewerbliche Immobilienrecht. Größe und spezifische Ausrichtung begründen die Partner mit dem Ziel ganzheitlicher Beratung. „Wir wollen umfassend und intensiv betreuen. Sowohl forensisch als auch bei der Vertragsgestaltung“, sagt Burbulla. Arbeiten in einer großen Kanzlei kann er sich nicht mehr vorstellen. Er schätzt die Freiheit und den Gestaltungsspielraum einer Boutique: „Man ist nicht den Vorgaben einer Großkanzlei unterworfen.“ Das erleichtere die Betreuung der Mandanten.

„Man ist nicht den Vorgaben einer Großkanzlei unterworfen.“

Rainer Burbulla, Langguth & Burbulla

Quelle: Langguth & Burbulla Rechtsanwälte, Urheber: Dr. Rainer Burbulla

Aus Anwalts- wie Mandantensicht sei die Spezialisierung auf ein Rechtsgebiet richtig, allerdings müsse der Gesamtüberblick hinzukommen. Bei einem Gewerbemietvertrag beispielsweise müssten häufig Berührungspunkte zum öffentlichen Recht mit seinen Bau- und Nutzungsgenehmigungen oder zum Grundstücksrecht wie Dienstbarkeiten und Grundpfandrechte unmittelbar mitgedacht und Lösungen aus einer Hand entwickelt werden.

Beratung von der Immobilie her gedacht

Manche Kanzleien ringen um ihre Strategie: Full Service, also möglichst viele oder alle relevanten Rechtsgebiete, oder Nische – auch, wenn diese so groß ist wie das Immobilienrecht. Die Diskussion um den Markenkern stellt sich häufig ein, wenn eine Kanzlei stark gewachsen ist. Mit einer steigenden Zahl an Mandaten kommen die unterschiedlichsten Fragen auf die Anwälte zu. Oftmals ist dann eine klare Abgrenzung des eigenen spezifischen Rechtsbereichs zu anderen nicht mehr opportun; Übergänge sind fließend. Bereichsübergreifende Regelungen befördern diese Entwicklung. Bei der Bauberatung etwa genügt es nicht mehr, sich mit Bauverträgen auszukennen. Vielmehr sind Bauherren und ihre Anwälte gefordert, Compliance mitzudenken. Delikte wie Betrug, Schwarzarbeit und Korruption führen vom Baurecht direkt zum Straf- und Arbeitsrecht. Bei großen Vorhaben stellen sich beispielsweise Finanzierungsfragen.

„Wir gehören zu den wenigen Kanzleien, die alles allein abdecken.“

Heiko Fuchs, Kapellmann und Partner

Quelle: DVP e.V., Urheber: Ole Bader

Die Baurechtler:innen von Kapellmann und Partner haben entschieden, diese Bereiche inhouse abzudecken. Sie setzten ihre „sehr spezialisierte bauspezifische Brille“ ab und holten unter anderem Profis für Strafrecht und Datenschutz ins Team, berichtet Kapellmann-Partner Heiko Fuchs. Baubetriebliche Kompetenz lagerte die 1974 in Mönchengladbach gegründete Kanzlei schon früh in ein Schwesterunternehmen aus. Mit dieser Aufstellung „gehören wir zu den wenigen Kanzleien, die alles allein abdecken“, sagt Fuchs. Transaktionen ausgenommen: Diese seien im Moment nicht im Fokus. Das Thema Full Service oder Boutique hat Kapellmann mit seiner 160 Personen großen Bau-Mannschaft pragmatisch gelöst. „Wir machen es an der Spezialisierung fest: Wir haben weitestgehend Bezug zur Immobilie und sprechen in erster Linie Mandanten aus dem Immobilienbereich an. Wir sind insoweit eine Boutique, auch wenn wir beispielsweise mit dem Kartellrecht auch ohne Immobilienbezug beraten“, erklärt Fuchs.

Spezialwissen oder Full Service

Für Mandanten gilt es, die Vor- und Nachteile dieser rechtlich begrenzten Einheiten abzuwägen und mit dem eigenen Bedarf abzugleichen. Immobilienboutiquen bieten Beratung in den für die Immobilienwirtschaft relevanten Spezialmaterien. Das beschränkt zwar die Rechtsgebiete, bietet aber eine Konzentration aufs Wesentliche, die entscheidend sein kann. Die Kanzleien versprechen zugleich hohe Expertise, schließlich machen ihre Anwälte nichts anderes als eben Immobilien- und Baurecht. Gleichzeitig unterliegen Boutiquen zumeist nicht so sehr dem Kostendruck. Ob sich das in den Stundensätzen niederschlägt, ist Verhandlungssache. Ein Anwalt zieht zum Vergleich den Umgang mit dem Auto heran: Das vertrauten Mandanten auch gerne einer Markenwerkstatt an und seien bereit, deren Professionalität und Spezialisierung zu bezahlen. Der Nachteil an Immobilienboutiquen liegt damit auf der Hand: Sie sind eben keine Allrounder und betreuen nicht in allen Rechtsangelegenheiten. Deshalb holen sie – wenn nötig – entweder andere Kanzleien ins Boot oder aber passen bei Themen wie Gesellschafts- und Kartellrecht komplett. Wer als Akteur auf dem Immobilienmarkt in diesem Bereichen Bedarf hat, ist vermutlich bei einer Großkanzlei besser aufgehoben. Das gilt auch dann, wenn ein umfangreiches Vorhaben mit vielen Rechtsfragen eine höhere Anzahl an Köpfen erfordert. Außerdem punkten die großen Einheiten häufig mit einem internationalen Netzwerk, das bei mancher Aufgabe gebraucht wird.


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